BDSM

Bondage für Anfänger – Vor dem ersten Knoten9 min read

Ich bin vor kurzen bei Fetlife auf ein sehr gutes How-To „Fesseln für Anfänger“ gestoßen. Genauer war es dieser Beitrag von RileyEf­fec­tive. Dieser ist, wie auf Fetlife üblich, auf Englisch verfasst. Was mich dazu ange­spornt hat, diese gut zusam­men­ge­fassten Infor­ma­tionen ins Deutsche zu über­tragen. Nach einer Rückfrage bei RileyEf­fec­tive darf ich dies hier auf meinen Blog posten und freue mich euch damit ein paar gute erste Schritte an die Hand liefern zu können. Da RileyEf­fec­tive aber noch zwei weitere gute Beiträge hatte, habe ich diese auch mit in diesen Blog­bei­trag eingebaut und ein wenig angepasst. Für das Original unbedingt bei RileyEf­fec­tive schauen.

Du hast ein Seil, reicht das für eine Session?

Prin­zi­piell reicht ein Seil natürlich, um jemanden zu fesseln, dennoch sollen ein paar Basics hier aufge­führt werden, die leider nicht so selbst­ver­ständ­lich sind, wie sie sein sollten. Zudem ist Seil nicht gleich Seil. Prüft daher bitte vor der Fesselung, ob euer Material noch in Ordnung ist. Gerade wenn ihr eine Suspen­sion (eine hängende Fesselung) machen solltet, muss alles passen. Aller­dings empfehle ich Anfänger erstmal „nur“ im Stehen und Liegen zu arbeiten, da eine Suspen­sion noch einmal ganz neue Gefah­ren­quellen eröffnen. Die Anleitung hier bezieht sich also auf Vorbe­rei­tung für stehende/liegende Fesse­lungen. Abgesehen davon muss es aber nichts Krasses oder kompli­ziertes sein. Der Spaß sollte im Vorder­grund stehen.

Solltet ihr euch am Anfang unsicher sein oder gar nicht wissen, was man mit einem Seil überhaupt macht, wäre viel­leicht auch ein Workshop sinnvoll. In Berlin kann in den Absolut beginners Workshop beim IKSK empfehlen. Hier habt ihr ein Augenpaar, das auf euch aufpasst und bekommt auch gleich noch die ersten Grund­lagen der Knoten zu einem, wie ich finde, fairen Preis gezeigt. Online empfehle ich immer gerne Rorys­Brain­works

Die Zutaten

Das Bunny

Die zu fesselnde Person wird oftmals als „Bunny“ bezeichnet. Unab­hängig der Geschlechts­iden­tität, weshalb ich diesen Begriff hier auch nutzten werde. Euer Bunny sollte bequeme, nicht zu weite Kleidung tragen, insofern mit Kleidung gefesselt wird. Sollte nur in Unter­wä­sche oder nackt gefesselt werden, ist dies hinfällig. Schmuck jeglicher Art, gerade Ketten und Armbänder sollten, wenn möglich entfernt werden.

Idea­ler­weise geht das Bunny auch noch einmal kurz zur Toilette. Es ist ärgerlich für beide Seiten mitten drinnen zu unter­bre­chen, weil das Bunny, mal eben, zur Toilette muss und die Fesselung dafür gelöst werden muss.

Konsens

Konsens sollte bei jedweden BDSM und/oder sexuellen Hand­lungen Pflicht sein. Beim Fesseln schon alleine aus dem Grund, weil du die Hand­lungs­frei­heit der anderen Person einschränkst. Aber es geht um mehr als nur „darf ich dich fesseln“. Es geht auch um WO darf ich dich fesseln. Ist es ok, wenn Seile zwischen den Seilen durch­ge­führt werden. Ist es okay, wenn ich den Brust­be­reich fessle und diesen dabei ggf. berühre (an der Stelle als „berühren, weil es beim Seil entlang­führen passiert“ gemeint). Redet darüber lieber etwas länger, als etwas Wichtiges zu vergessen.

Wichtig, selbst wenn dein Bunny hier zu etwas ja sagt und während der Fesselung die Meinung ändert und Stop/Nein/… sagt, ist das ein unbe­dingter Punkt mindes­tens zu unter­bre­chen. Frag nach, was gerade nicht gepasst hat und ob du das ändern darfst, oder ob ihr hier aufhören sollt. Konsens ist IMMER und JEDERZEIT einzu­halten. Nur so bleibt der Spaß für alle Seiten erhalten.

Ein sicherer Raum

Seid ihr in einem Raum, wo ihr in Ruhe fesseln könnt. Werdet ihr hier durch äußere Einflüsse gestört? (Moskitos/Zuschauer/Familie die den Raum betritt/…) Ist es warm genug, gerade für die Person die gefesselt wird? Ist der Raum sicher im Sinne von, kann etwas umfallen während wir fesseln? Zudem solltet ihr wissen, wo der Erste-Hilfe-Kasten ist, wo ihr euch gerade aufhaltet, falls ihr einem Notarzt die Adresse geben müsst, weil etwas schief­ge­laufen ist.

Etwas zum Seil zerschneiden

Es sollte immer eine Schere in eurer Nähe sein. Wenn etwas schief­läuft habt ihr nicht mehr die Zeit, um das Seil in Ruhe zu lösen, dann muss es SOFORT runter. Ein Seil lässt sich ersetzen, ein Arm der Bewe­gungs­un­fähig ist nicht. Zudem sollte die Schere nicht „gut verstaut“, sondern in Reich­weite sein. Es muss nicht zwingend eine Schere sein, jedes Material um SICHER ein Seil zu zerschneiden, ohne das Bunny zu verletzen. Im besten Fall probiert ihr das Zerschneiden mit eurem gewählten Tool schon einmal in einer ruhigen Minute aus, damit es im Notfall keine Probleme damit gibt.

Die Anatomie des menschlichen Körpers

Eignet euch Grund­kennt­nisse der mensch­li­chen Anatomie an. Meine Empfeh­lung dafür ist diese Webseite unter dem Punkt Major Areas to Watch. Ihr müsst kein Profi sein, solltet aber grund­le­gend wissen, wo Nerven und derglei­chen verlaufen, um darauf achten zu können. Auch ist es gut, wenn ihr wisst, woran ihr merkt, wenn etwas schief­läuft. (Kalte/Taube Hände, Kribbeln in Körper­par­tien und derglei­chen) Wenn man früh­zeitig reagiert, können lang­fris­tige Schäden einfach verhin­dert werden.

Wasser und Decke für Aftercare

Nach dem Fesseln, bezie­hungs­weise generell bei BDSM Spielchen, ist es gut danach etwas zu trinken. Im besten Fall steht das Wasser schon trink­be­reit zur Verfügung. Damit nach dem Spiel die Aftercare direkt ohne Unter­bre­chung beginnen kann. Auch kann es deinem Bunny kalt geworden sein, in dem Fall ist es toll, wenn du eine Decke zur Verfügung hast, um dein Bunny wieder aufzu­wärmen.

Spaß

Zwar der letzte Punkt der „Zutaten Liste“, aber deswegen nicht weniger wichtig. Es sollte allen Spaß machen. Genießt die Session und stresst euch nicht, wenn ein Knoten nicht genau so aussieht, wie ihr es euch vorge­stellt habt. Im Gegenteil, ihr könnt euer Bunny sogar nur eng „einwi­ckeln“ und trotzdem eine gute Session haben. Ganz ohne einen einzigen knoten. (Wer trotzdem ein paar Pattern lernen will, dem kann ich Rorys­Brain­works wärmstens empfehlen). Merke, solange alle Spaß an der Session hatten und es keine schäden gibt, war es eine gute Session.

Während der Fesselung

Jetzt wirds ernst

Denk dran, ihr fesselt hier mit einer lebenden Person. Seid daher mit eurem Fokus mehr bei der Person als bei den eigent­li­chen Knoten. Egal was du machst, es sollte im Wohl­kühl­be­reich deines Bunnys liegen. Daher empfiehlt es sich auch, dass du bei einer Session „unter deinem Niveau“ fesselst. Das heißt, lieber fesselst du ein paar einfa­chere Knoten, die du blind fesseln kannst, als ein Pattern, bei dem du nach jedem Knoten nach­schlagen musst wie es weiter geht. Das würde den Fluss und damit die Session nur zerstören.

Auch seid ihr während der Fesselung komplett für das Bunny zuständig. Sobald ihr zum Beispiel Arme oder Beine fesselt, kann sich das Bunny beim Umfallen nicht mehr selb­ständig auffangen. Seid also immer aufmerksam und habt eine Hand an eurem Bunny, um es zu stabi­li­sieren. Sollte es anfangen zu fallen, müsst ihr es SOFORT stützen können.

Auf die Dauer kommt es nicht an

Genauso wie ihr am Anfang nicht direkt das krasse Pattern fesseln müsst, müsst ihr auch keine langen Sessions plane. Gerade am Anfang sind Sessions bis zu 15 Minuten voll­kommen ausrei­chend. So kommt ihr nicht in die Gefahr, dass ihr euch stresst, weil ihr nicht wisst, was ihr noch fesseln könntet. Ande­rer­seits könnt ihr auch so schneller Feedback vom Bunny bekommen, was gut war und was nicht. Nichts spricht dagegen, nach einer kleinen Pause eine zweite Runde einzu­legen, wenn denn beide Seiten noch einmal wollen.

Das Bunny

Während der Fesselung hat das Bunny die „einfa­chere“ Position. Keine Knoten zu merken, keine Seile verlegen, sich „nur“ hingeben und fallen lassen.

Na ja, ganz so einfach ist es dann auch nicht. Natürlich muss das Bunny wirklich weniger machen, was die Fesselung für das Bunny aber nicht weniger anstren­gend macht. Wichtig ist jedoch, dass sich das Bunny SOFORT meldet, wenn etwas nicht passt. Kalte Hände, krib­belnde Körper­teile sind ein Anzeichen dafür, dass gerade etwas schief­läuft. Schmerzen, egal wo, sollten verständ­li­cher­weise überhaupt nicht auftreten. Kurz, sobald sich etwas „anders“ anfühlt, der fesselnden Person Bescheid geben. Mit der Zeit wisst ihr, was normal ist und was nicht. Aber lieber einmal zu oft melden als einmal zu spät.

Sollte sich das Bunny nicht recht­zeitig melden, können die Schäden von Stunden bis zu Jahren anhalten. Je früher einge­griffen wird, desto kürzer werden die Folgen sein.

Nach der Fesselung

Die Fesselung ist vorbei, ihr habt euer Bunny befreit und die Seile liegen noch verstreut am Boden, genauso wie sie vor Sekunden nach dem Entfes­seln fallen gelassen wurden. Jetzt beginnt die „After Care“.

After Care

Sprich mit deinem Bunny, wie geht es dem Bunny, wie fühlt es sich. Viel­leicht ist dein Bunny in einen Subspace gefallen, das kann die unter­schied­lichsten Gefühle auslösen. Nimm das Bunny gerne in den Arm, sofern es damit okay ist. Wickle das Bunny gege­be­nen­falls in eine Decke, falls dem Bunny kalt geworden sein sollte und gib ihm etwas zu trinken. Ihr werdet merken, ob hier mehr Fürsorge erfor­der­lich oder nicht, seit aber immer aufmerksam dafür.

Reflektieren

Wenn es dem Bunny gut geht, könnt ihr nach einer Weile reflek­tieren, wie es war. Was war gut, was war weniger gut? Was würde das Bunny gerne wieder­holen und was nicht? Das ganz muss nicht zwingend direkt danach sein. Gerne auch erst ein paar Tage später, je nachdem wie emotional aufwüh­lend die Session für dein Bunny war.

Nachsorge

Checkt auch nochmal am nächsten Tag ein, ob alles in Ordnung ist. Gerade wenn es eine längere Session war und/oder ihr enge Fesse­lungen hattet, ob sich weiterhin alles gut anfühlt oder ob etwas aufge­fallen ist wie „taube Finger“, Schmerzen im Arm und derglei­chen. Bei Problemen auf alle Fälle sehr zeitnah einen Arzt aufsuchen.

Warnzeichen beim Fesseln

Hier eine kleine (unvoll­stän­dige) Liste welche Symptome bei einer Fesselung aufkommen können, die auf ein Problem hindeuten können.

  • Kribbeln im Körper als ob die Körper­stelle einschläft –> Hier kann es je nach Stelle helfen die Seile zu verschieben, folgenden der Anatomie des Körpers
  • Kalte Hände –> Hier ist etwas einge­klemmt, Fesseln lösen
  • Daumen­test (siehe unten) zeigt Probleme –> SOFORT Fesseln lösen, da sonst dauer­hafte Nerven­schäden entstehen können
  • Schmerzen –> Sofort ändern was die Schmerzen verur­sacht
  • STOP/Safeword des Bunnys wird benutzt

Daumentest

Prüft in regel­mä­ßigen Abständen, ob euer Bunny eure Hand richtig drücken kann. Dazu legt ihr eure Hand in die Hand eures Bunnys und lasst es zudrücken. Einmal mit der ganzen Hand und einmal separat nur den Daumen. Sollte ein Nerv am Arm einge­klemmt sein sind die Chancen hoch (NICHT 100%), dass euer Bunny dann nicht mehr richtig zudrücken kann. Ihr werdet einen deut­li­chen Unter­schied beim Maxi­mal­druck fest­stellen. Sorgt also dafür, dass euer Bunny sowohl beim ersten Mal als auch bei den „Folgetest“ immer wirklich fest genug zudrückt, um als Signal sinnvoll zu sein.

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